Marion Ritzmann – Nadja Solari

„fractional exitations“

31. Mai – 7. Juli 2019

Marion Ritzmann und Nadjy Solari
„fractional exitations“

 

«fractional excitations» lautet der Titel zur Ausstellung von Marion Ritzmann und Nadja Solari. Im Kunstraum Kreuzlingen werden beide Künstlerinnen ihre Positionen zum ersten Mal gemeinsam  zeigen. Mit der Intervention von Ritzmann und Solari entsteht ein Dazwischen, das sich aus unterschiedlichen Ausgangslagen nährt. Beide Künstlerinnen unterscheiden sich in Inhalt, Ausrichtung und Umsetzung ihrer Arbeit. Und gerade hier liegt das Wertvolle dieser Konstellation: ein Mut zum Bruchstückhaften, zum anteilig Un-eigenen und doch gänzlich Erweiterten spricht daraus. Es geht folglich um Anregungen (beidseitig) in Bruchstücken. Und diese Anregung schafft Berührungspunkte, gleich eine Konversation, die von verschiedenen Enden des Raumes miteinander geführt wird. Zwei vollkommen neue Arbeiten werden entwickelt, die sowohl auf den Ausstellungsraum als auch aufeinander eingehen. Ein Miteinander ist zu erwarten, dass zugleich dezent und lustvoll, subtil und sichtbar ineinander verschränkt ist.

«Ich denke und arbeite mit und in Systemen», so Ritzmann selbst über sich. In ihren Arbeiten thematisiert die Künstlerin das Medium Zeichnung, dessen eingeschriebene Struktur und arbeitet dabei mit einer eigens entwickelten Bildsprache, die ihr als Vokabular zur Raumvermessung und -zerlegung dient. Konzeptionelle Stärke und Tiefenstrukturen, Performativität und Ortsbezug sind Ritzmanns Werken eingeschrieben. Die Künstlerin arbeitet nach gedanklichen Strukturen, die sie im Atelier anlegt und vor Ort installiert. Flächen, Linien, abstrakte Formen und geometrische Zeichen vermitteln ein fein verzweigtes Netz aus innenliegender Form und Struktur, die herausgelöst und zur Diskussion gestellt werden. Ihre Arbeiten gestalten sich als linearer Prozess, in dem immer wieder kurzzeitig innegehalten wird bevor die Entwicklung sich weiter vollzieht, ihre Installationen unterliegen somit einem beständigen Wandel, Ausbau und Umbau.

Die inhaltlichen Schwerpunkte von Nadja Solaris Arbeiten drehen sich um Themen wie Ökonomie, industrielle Produktion und Globalisierung, kulturelle Codes und Kontexte, Systeme und deren Hybridität. Solaris Arbeiten beschreiben Widersprüchlichkeiten und Spekulationen, die den Betrachter zum eigenmächtigen Weiterdenken anregen. In ihren installativen Arbeiten werden Fragmente neu zusammengesetzt, durch Überlagerungen und leichte Verschiebungen entsteht ein komplexes und zugleich fragiles Gefüge. Wie in einer Methode des beständigen Cut&Paste wird Vorgefundenes reduziert, neu geordnet und interpretiert. Mit einer hohen Sensibilität für Umgebung, Inhalte und Wirkungsweisen sammelt die Künstlerin in einem Akt der Bestandsaufnahme vor Ort Eindrücke wie Materialien und schafft daraus neue Kombination, die das oft so widersprüchliche Netz suggestive Bedeutungshoheiten auflösen. Dem Betrachter wird die Vielschichtigkeit der Lesarten offenbart, zugleich spricht aus Solaris Arbeiten jedoch die dezente Lust, die Dinge für sich sprechen zu lassen, sie freizustellen für Denken, Handeln und Einfühlen.

Die Konstellation Ritzmann/Solari zeigt eine Bereitschaft oder sogar den Willen zum Unerwarteten. Zweierlei Strukturen spinnen ihr Netz und lassen einen Zwischenraum des unbeschrieben Möglichen aufbrechen. Gleich einem Abtasten, einem Vorangehen im vorerst Unbekannten. Oder einem Erfühlen des Raumes, der vor einem liegt und zum gemeinsamen Gut wird. Das Verhältnis zwischen Kontrolle und deren Verlust, zwischen kalkulierten Rahmenbedingungen und Zufall erzeugt eine spannungsreiche Dynamik. Innerhalb des genau definierten Rahmens des Kunstraums stehen beide Arbeiten für sich selbst, werden durch die Gegenüberstellung jedoch zugleich in ihrer ursprünglichen Form verändert und reagieren aufeinander. Ein Bruch entsteht, der zeitgleich Übergang und Prozess sein kann und verschiedene Zugänge, Verknüpfungsmöglichkeiten und Schnittstellen zulässt. Was zu erwarten ist: ein Experiment, das sich aus Einzelteilen/ Fragmenten (einander zugewandt) zusammensetzt.

Barbara Marie Hofmann, 2019