Laudatio von Aline Juchler

Meine Damen und Herren, auch ich möchte Sie herzlich zur Ehrung von Daniel Keller begrüssen.

Herzlichen Glückwunsch, Daniel!

Du bist der 16. Preisträger des Adolf-Dietrich-Förderpreises der Thurgauischen Kunstgesellschaft.

Die Ausstellung, in der wir uns hier befinden, ist auch Teil dieses Preises, Daniel Keller hat sie neu ausgerichtet und alles neu produziert.  Sie heisst “Past Corners – Rearranged”.
Also zu Deutsch „vergangene Ecken, neu angeordnet“.
Das mag kryptisch klingen, ist aber ziemlich logisch, wenn man sich der Arbeit des Künstlers folgendermassen annähert:

Daniel Keller ist ein Flaneur und Sammler. Nicht von bestimmten Objekten oder Raritäten, sondern von visuellen Eindrücken und Formen, die er durch das aufmerksame Spazieren sammelt, an Orten, die zunächst nicht pittoresk oder sonderlich charmant anmuten, sondern wo spannungsgeladene Situationen im öffentlichen Raum aufeinanderprallen.
Urbane Gebiete an den Rändern von Grossstädten sind gute Beispiele dafür. Vielleicht ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass an solchen Orten, oft unbewusst und ohne konkreten Plan, waghalsige Kombinationen interessanter Formen aufeinandertreffen.

Lassen Sie mich ein Beispiel einer solchen Gegend skizzieren, frei nach einer Erinnerung:
Wir stehen auf einem x-beliebigen Platz. Vor uns haben wir zum Beispiel eine abgerundete Box aus schimmernden Metall, die sich als öffentliche Toilette entpuppt; dort sind Stangen in den Boden verankert, welche ermöglichen unsere Fahrräder anzuschliessen; an der Ecke links steht funkelnd neu ein kleines Einkaufszentrum mit
verglaster Fassade, darin spiegeln sich die alten, verlotterten Fensterläden und Balkone einer alten Wohnsiedlung. Die Sitzgelegenheiten vor uns auf dem Kiesplatz sehen alle unterschiedlich aus: Es gibt eckige, aus Beton gegossene Bänke, und daneben leichte, rundliche aus rotem Kunststoff, die durch die Witterung ganz ausgebleicht sind. Dazu kommt die strukturgebende Signaletik, aus reflektierendem Material oder die Schilder und Tafeln, welche alle paar Meter aus dem Boden ragen.

Daniel Keller interessiert sich genau für solche formale Spannungen im öffentlichen Raum. Wenn man so will, sieht er den öffentlichen Raum durch eine Brille, welche ihn in reine Formen umwandelt. Die verschiedenen geometrischen Elemente und die zwischen ihnen entstandenen Spannungen und Kontraste werden zur Inspiration für ihn.

Und so kommen wir wieder zurück auf den Titel der Ausstellung, „past corners rearranged“ – vergangene Ecken, neu angeordnet.

Die „Ecken“ können für Orte, Gegenden stehen oder wörtlich – um die Definition aus der Geometrie hinzuzuziehen – für „einen besonders ausgezeichneten Punkt der Grenzlinie oder –fläche eines Gebietes“.

Diese Ecken sind „vergangen“ oder der Vergangenheit angehörig, weil der Künstler sich an sie erinnert, auf sie referiert und diese Ecken oder Formen für seine Skulpturen wiederverwendet und neu arrangiert – neu anordnet.

Hier im Kunstraum Kreuzlingen stehen die fünf Objekte scheinbar kontextlos in einer gewissen Distanz zueinander, sie funktionieren aber als Ausschnitte, Erinnerungen eines fiktiven Stadtgefüges. Alle Skulpturen scheinen einem anderen Bildvokabular entsprungen zu sein, sie sind einander in ihren Formen nicht ähnlich. Aber alle Materialien und Oberflächen sind klare Referenzen auf real existierende, urbane Elemente. Und hier spielt ein gewisses absurdes Momentum hinein, eine gewisse Irritation. Denn nach und nach merkt man als Betrachter, dass sie wie dreidimensionale Collagen funktionieren, es sind Versatzstücke aus dem Alltag.

Daniel Keller ist 1987 geboren und ging hier in Kreuzlingen zur Schule, er wuchs im nahegelegenen Bottighofen auf. Er hat zunächst die Keramikdesign Fachklasse an der Schule für Gestaltung in Bern absolviert. Die Ausbildung dauerte vier Jahre. Im ersten  Jahr lernt man alle technischen Grundlagen, mehr und mehr kann sich danach der Schüler in Richtung freie Gestaltung oder in Richtung Design spezialisieren.

Für Keller war an dieser Ausbildung prägend, dass er lernte technische Fragen zu beantworten, konkrete Lösungen zu finden für Ideen, die er umsetzen wollte. Es überrascht daher nicht, dass der Künstler alle Objekte hier eigenhändig angefertigt hat. In einer Zeit, wo viel kollaboriert und auch von Künstlern die Produktion von gewissen Komponenten ausserhalb in Auftrag gegeben wird, ist dieser Aspekt nicht mehr selbstverständlich.

Keller hat schon während der Ausbildung als Keramiker ein starkes Interesse für das Verhältnis zwischen Volumen und Oberfläche entwickelt. In der Keramik geht man von einem kleinen Massstab aus, bald wollte er mehr mit dem Raum arbeiten, das Gelernte im Grossen anwenden. Die Balance zwischen Volumen und Oberfläche ist ein feiner Grat, der auch stark mit dem Begriff der Skulptur verknüpft ist.

Hinzu kommt seine Auseinandersetzung mit dem vorhin beschriebenen Spannungsfeld von funktionalen Konstruktionen/Architekturen im öffentlichen Raum und dem Erschaffen von funktionslosen Objekten/Skulpturen, wie wir sie hier in der Ausstellung sehen.

Nach der Zeit an der Schule für Gestaltung in Bern, hat er sich an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam im Studiengang für bildende Kunst eingetragen. In der Zeit der Ausbildung in Holland hatte er weiter die Gelegenheit am Pratt Institute in Brooklyn, New York einen Aufenthalt zu machen. Er hat also an diversen Orten sein Form- und Stadt-Erinnerungs-Vokabular erweitert und geschärft.

Seit 2013 lebt und arbeitet er mehrheitlich in Zürich und Amsterdam, vor kurzem wurde er zudem Atelierstipendiat der Stiftung Binz 39, ebenfalls in Zürich.

Ich hätte Daniel gerne noch gefragt, wann er wusste, dass er weitermachen wollte auf diesem künstlerischen Weg? Ob es dank früher Förderungen war, wie beispielsweise das Startstipendium des Mondriaan Fund. Leider hatte ich keine Gelegenheit mehr, diese Frage zu stellen, weil wir uns im Laufe dieser Woche immer wieder verpassten. Aber ich bin mir sicher, dass der Adolf-Dietrich-Förderpreis, diese Form von Wertschätzung und Genugtuung, definitiv Gutes tut für einen vielversprechenden und noch jungen Künstler wie Daniel Keller.